Frühjahr 1981 an der Hardenbergstraße in Berlin-Charlottenburg. Ich stehe an der Bushaltestelle und warte auf den Bus Nummer 29. Da spricht mich ein älterer Herr an:
“Möchten Sie Wissenschaftler werden?”
Zu diesem Zeitpunkt war ich Musiker und Klavierlehrer und gerade 22 Jahre alt. Mein Berufsbild war Popstar – und so kleidete ich mich auch. Wir unterhielten uns. “Sie haben Talent für Wissenschaft”, ermutigte er mich. “Ich möchte wissen, ob meine Einschätzung stimmt.” Ich sagte dem Herren also zu. Er schrieb mir seine Telefonnummer auf einen Zettel und lud mich ein, doch einmal bei ihm vorbeizuschauen. Er sei Direktor des Wissenschaftszentrums.
Einige Wochen später kreuzte ich in seinem Büro auf. Mit mir führte ich meine erste wissenschaftliche Abhandlung. Sie trug den Titel “Die Bedeutung philosophischer und theologischer Weltbilder für Politik und Ökonomie”. Der Herr las sie und schrieb seine Anmerkungen hinein. “Sie sind ein Super-Talent für Soziologie und politische Wissenschaft”, stellte er fest. “Sie sollten unbedingt studieren.” Ich tat, wie geheißen.
Sloterdijk und Dill
Zeitsprung: 29. Januar 2019. Peter Sloterdijk wurde – nicht zum ersten Mal – als Deutschlands führender Intellektueller gekürt.
Was hat das mit mir zu tun?
Nun, 1989 schrieb ich meine Doktorarbeit, die den Titel “Der Mensch als anthropologische Differenz” trug. Darin führte ich aus, dass es den Mensch nicht gibt, sondern dieser nur in den Differenzen Mann/Frau, Misanthrop/Philantrop, Ich/Etwas aufscheint.
Der Untertitel “Anthroplogie nach ihrer Kritik” drückte aus, dass ich mich nicht mehr in der Tradition der poststrukturalistischen Kritik an der Naivität und Anmassung der klassischen Anthropologie mit ihrer Lehre der Superioriät des Menschen verstand. Ich war nüchterner. Naturwissenschaftlicher. Fieser.
Meine Arbeit wurde überhaupt nicht rezipiert und auch nicht als Referenz für meine Bewerbungen als Forscher und Lehrer anerkannt. Trotz magna cum laude.
Neun Jahre später, im Jahre 1998, erschien erstmals das Hauptwerk von Peter Sloterdijk, nämlich der erste Band seiner Sphären mit dem Titel Blasen.
Dieser Band gelangte auf folgendem Weg zu mir: Der Suhrkamp Verlag hatte die drei Bände der Sphären mit um die 2000 Seiten um die Jahrtausendwende folienverschweißt an die Chefredakteure aller Zeitungen geschickt, so auch an Charly von der Münchner TZ.
Charly wußte nicht, was er mit dem Altpapier machen sollte und zeigte es eines Tages seinem Spezie Bernie, seines Zeichens PR-Chef des Deutschen Theaters in München. Bernie ließ die Bände ein paar Jahre im Regal austrocknen. Dann gab er das ungeöffnete Paket Alexander Dill, der sich damit 2005 auf die Alm oberhalb von Salzburg, genauer auf den Trattberg, zurückzog. Er las aber nur die Bände 2 und 3. Band 1 sagte ihm nicht zu. Als nach zahlreichen Umzügen Band 2 und 3 verschwanden, mußte er sich Band 1 widmen. Dort nun, auf Seite 477, fand sich folgende Ausführung des deutschen Philosophenchamps:
“Darum heißt philosophisch nach dem Menschen fragen an erster Stelle: Paar-Ordnungen untersuchen, offensichtliche und nicht so leicht sichtbare, die Allianzen mit problematischen und unerreichbaren Anderen stiften.”
Nach Sloterdijk hätte ich also mein lebenslanges Lehr- und Forschverbot an der Universität gar nicht bekommen müssen. Da ich am 6. März sechzig Jahre alt werde, beruhigt mich das nicht.
Ich bin wütend wie nie auf die Blödheit der Universität. Übrigens lehnte es Sloterdijk 2010 ab, mich an der Karlsruher Medienuni zu habilitieren, wo er Rektor war.
2007 Ein erste universitäre Veröffentlichung
2007 konnte ich am Institut für Commons an der University of Indiana, an dem die spätere Nobelpreisträgerin Elinor Ostrom lehrte, meinen Ansatz zur Messung und Bewertung von Freeware veröffentlichen.
Es sollte fünf Jahre dauern, bis dieser Ansatz im Bardy-Massaro-Composite-Index eine erste Rezeption fand. Allerdings teilen Bardy und Massaro mit mir folgendes Schicksal:
- Als nicht-universitäre Wissenschaftler dürfen wir weder publizieren, noch Forschungsmittel bei Stiftungen oder gar Forschungsministerien beantragen.
- Insofern unsere Indices in Konkurrenz etwa zum Human Development Index der UN oder zum Bertelsmann Transformation Index stehen, versuchen UN und Bertelsmann-Stiftung, unseren Ansatz zu ignorieren und zu verhindern.
Um zu verstehen, wie diese Verhinderung abläuft, empfiehlt sich die Lektüre eines Briefes, den die Leiterin des Human Development Programme, die ehemalige neuseeländische Ministerpräsidentin Helen Clark an mich richtete.
Als ich als 25-jähriger Student in Berlin am Kurfürstendamm 209 meine Philosophische Praxis eröffnete, schrieb mir Margherita von Brentano (1922-1995), damals Direktorin des Philosophischen Instituts der sogenannten “Freien” Universität diesen Brief. Ein Dokument deutscher Wissenschaftsgeschichte. Übrigens war ihr Mann, Jacob Taubes, einer der ersten Besucher meiner Praxis.
Eine weitere Perle deutscher Wissenschaftlichkeit ist das Schreiben von Ernst Tugendhat, mit dem er dem chinesischen Philosophen Weijian Liu und mir die Abhaltung eines Seminars über chinesische Philosophie verwehrt.
In beiden Schreiben, auch in dem von Helen Clark, erfährt man, wie staatliche Wissenschaft operiert, wie sie sich versteht, wie sie ihre Werte artikuliert. Und ich befürchte, dass auch nicht-staatliche Wissenschaft bevorzugt ein Ziel verfolgt: Ihre eigene Superiorität über permanentes Mobbing der Anderen zu beweisen. Wissenschaft ist sozusagen ein Shitstorm über jedes Außen.
Dass ich dennoch wissenschaftliche Meriten und echte Titel erhielt, verdanke ich einem Soziologen namens Dietmar Kamper.
Zum Ärger von von Brentano, Tugendhat und Theunissen war Kamper 1988 Dekan des Fachbereichs und prüfungsberechtigt in Philosophie. Als das Philosophische Institut meine Promotion verhindern wollte, nahm Kamper mich selbst als Doktorand an. Mit großer Sympathie und oft zärtlicher Fürsorge lotste Kamper mich bis zum “Magna Cum Laude” durch die korrupt-stalinistische Uni.